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Unterstützung und Nähe – bei notwendiger Distanz

Die Versorgung von Menschen mit psychischer Erkrankung ist in Zeiten der Corona-Pandemie eine besondere Herausforderung

Handy zwischen Ohr und Schulter und macht sich schnell Notizen. Nuißl engagiert sich im Vorstand des Vereins „Irren ist menschlich e.V.“ für Psychiatrie-Erfahrene in und um Regensburg. Für ihn und die Mitglieder gibt es gerade viel zu tun.

Denn die Corona-Pandemie hat nicht nur Auswirkungen auf Menschen mit Vorerkrankungen oder einer bevorstehenden Operation. Auch die Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen oder Suchtproblemen erfährt gerade große Einschränkungen. „Die Frau am Telefon fühlte sich in ihren Ängsten aktuell völlig überfordert“, erklärt Nuißl.

So wie ihr geht es gerade vielen Menschen mit einer psychischen Erkrankung. Viele therapeutische oder ambulante Angebote finden derzeit nicht statt. Dazu kommt, dass sich derzeit die gesamte Gesellschaft in einer Ausnahmesituation befindet. Alle sind unsicher, viele ängstlich – das wirke sich auf Personen, die sich bereits in einer psychischen Krise befinden zusätzlich sehr belastend aus. Nuißl sucht deshalb nach Möglichkeiten, wie sich die Betroffenen gegenseitig unterstützen können. „Viele sind isoliert und möchten einfach auch nur mit jemandem sprechen“, meint Nuißl.

Aber die Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen beschäftigt natürlich nicht nur die Betroffenen und die Selbsthilfe. Der Bezirk Oberpfalz unterstützt ein flächendeckendes Beratungsnetz und Unterstützungssystem für Menschen in psychisch schwierigen Situationen und Krisen. Bezirkstagspräsident Franz Löffler steht deshalb derzeit in ständigem Austausch mit Trägern, Anbietern und Partnern dieses Hilfesystems in der ganzen Oberpfalz. Denn auch wenn in  diesen Tagen der Infektionsschutz im Vordergrund steht, macht er deutlich: „Wir dürfen in dieser schwierigen Situation nicht diejenigen vergessen, die mit psychischen Problemen zu kämpfen haben!“ Für ihn ist es ein persönliches Anliegen, dass auch die umfassende Versorgung dieser Menschen weiterhin sichergestellt ist. Sozialpsychiatrische Dienste, Tagesstätten für Menschen mit psychischer Erkrankung und Suchtberatungsstellen bieten trotz Einschränkungen weiterhin Hilfen an. Die Sozialpsychiatrischen Dienste können persönliche Beratungsgespräche zwar nur noch im Krisenfall durchführen, die Beratung am Telefon während der Öffnungszeiten ist aber sichergestellt.

Auch die DrugStop Drogenhilfe Regensburg e.V. muss improvisieren. Der Kontaktladen AKUT in Regensburg ist die Anlaufstelle für Menschen auf dem Weg zum drogenfreien Leben. Aktuell muss er geschlossen bleiben, aber die Mitarbeiter von DrugStop verteilen täglich zwischen 12 Uhr und 14 Uhr "Care Pakete" und "hygienische Konsumutensilien" in der Gegend des Hauptbahnhofs. Die vom Bezirk finanzierten Beratungs- und Hilfsangebote machen also weiter und gehen dabei manchmal ungewöhnliche Wege. Löffler jedenfalls freut sich, dass sich das bewährte Hilfesystem auch in dieser angespannten Situation als verlässlich erweist. Viele Menschen – Betroffene, Ehrenamtliche und Profis – arbeiten mit Herzblut weiter daran, dass besonders betroffene Menschen Halt und Unterstützung finden. „Hier zeigen wirklich alle außergewöhnliches Engagement und überraschen mich immer wieder mit tollen Ideen“, sagt Löffler, „dafür meinen allergrößten Respekt!“ Und Löffler ist sich sicher: Viele der neuen Ideen und Ansätze werden auch nach den Einschränkungen durch Corona weitergeführt werden.

Und wie derzeit in praktisch allen Lebensbereichen, ist auch im Bezirksklinikum gerade alles anders. Ambulante Angebote werden auf das notwendigste reduziert, ambulante Therapien und Kontakte finden vor allem telefonisch statt. Prof. Dr. med. Berthold Langguth, Chefarzt für Allgemeinpsychiatrie des Bezirksklinikums Regensburg, ist mit einem Dilemma konfrontiert. Er sieht das Bedürfnis seiner Patienten nach Struktur und therapeutischen Angeboten. Aber er macht auch deutlich: „Der Infektionsschutz geht vor“

Er und seine Kolleginnen und Kollegen der Klinik arbeiten deshalb mit Hochdruck an Alternativen. „Wir sind weiter für unsere Patienten da und möchten, dass sich niemand alleine gelassen fühlt“, betont Langguth. Viele Gespräche können telefonisch geführt werden. „Das geht besser als man meint“, sagt er. Auch Videosprechstunden werden genutzt, um den wichtigen persönlichen Kontakt zu Patienten und deren Angehörigen weiter zu gewährleisten. Daneben wurde ein Online-Angebot mit Kurzvideos geschaffen. Unter dem Motto „medbo bleibt daheim“ sind auf www.medbo.de/bleibzuhause wichtige Informationen und zwischen 9 und 17 Uhr verschiedene Angebote zu finden. Das kann zum Beispiel um 9 Uhr eine Yoga-Einheit sein, die dann um 10 Uhr wieder verschwindet. Im Laufe des Tages können so regelmäßig Therapieeinheiten angeboten werden, um den Patienten etwas Alltagsstruktur zu geben. Angeleitet werde das Ganze von Therapeuten, die die Patienten bereits kennen. Das Angebot richtet sich zwar an ambulante und stationäre Patienten der Klinik, sei aber grundsätzlich offen. „Wenn gängige Wege versperrt sind, müssen wir neue Ideen der Versorgung entwickeln“, sagt Langguth. Das Angebot richtet sich auch an Menschen, die in der aktuellen Situation Ängste entwickeln und verunsichert sind. „Wir möchten auch in dieser Situation professionelle Hilfen für alle Menschen mit psychischen Problemen in der Oberpfalz bieten“, betont Langguth, „deswegen heißen wir ja ‚Bezirksklinikum‘“.

Eine Übersicht, wo Menschen mit psychischen Problemen in der Oberpfalz aktuell Unterstützung bekommen, ist zu finden unter:

www.bezirk-oberpfalz.de und www.medbo.de

sowie auf dem neuen medbo-Corona-Blog

 

Das Bild zeigt einen Screenshot des Informationsangebotes.
Screenshot des medbo-Informationsangebotes „Bleib Zuhause“ .