700 Jahre Oberpfalz
Die Obere Pfalz
Die Oberpfalz ist ein Teil Altbayerns. Und doch hat ihre Geschichte an einigen Weggabelungen eine andere Richtung als der Rest Altbayerns und folglich in mancherlei Hinsicht eine andere Entwicklung als Ober- und Niederbayern genommen. Grundgelegt ist diese Sonderentwicklung der Oberpfalz im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit im Hausvertrag von Pavia vom 4. August 1329. Mit diesem wittelsbachischen Teilungsvertrag wollte Ludwig der Bayer, der sich auf dem Rückzug aus Rom befand, wo er sich wegen seiner umstrittenen Kaiserkrönung aufgehalten hatte, nicht zuletzt das zerrüttete Verhältnis zu den Söhnen seines bereits verstorbenen Bruders Rudolfs kitten. Inhalt des Vertrages war die Aufteilung des wittelsbachischen Besitzes in einen bayerischen und einen Pfälzer Teil. Erster sollte bei Ludwig dem Bayern und seinen Nachkommen verbleiben, die Pfalz fortan bei den Nachfahren seines Bruders Rudolf. Wohl um eine territoriale Klammer zwischen den Pfälzer und den bayerischen Besitzungen zu legen, wurde die Oberpfalz aus dem bayerischen Teil herausgelöst und der Pfalz zugeschlagen.
Dies verwundert, war doch die Oberpfalz zu dieser Zeit dabei, sich wirtschaftlich zum „Ruhrgebiet des Mittelalters“, also zu einer Region von Erzgewinnung und Eisenverarbeitung europäischer Dimension, zu entwickeln. Dass der stets finanzklamme Kaiser Ludwig der Bayer genau darauf verzichtete, bleibt ein Rätsel.
Dieser vom restlichen Bayern nun abgetrennte Landesteil – später zur Unterscheidung zur Pfalz am Rhein, der unteren Pfalz, Obere Pfalz genannt – wurde ziemlich genau drei Jahrhunderte lang von Heidelberg aus politisch gelenkt, konnte aber mit der Regierungsstadt Amberg im Zentrum ein gewisses Eigenleben entwickeln. Diese Obere Pfalz, die sich von der heutigen Oberpfalz territorial in manchem unterscheidet, aber auch sehr große Schnittmengen aufweist, kann als historische Vorgängerin des heutigen Regierungsbezirks Oberpfalz gesehen werden.
Erst im Zuge des Dreißigjährigen Krieges kam die Oberpfalz wieder zu Bayern. Fortan bildete sie als Rentamt Amberg neben den beiden niederbayerischen Rentämtern Straubing und Landshut sowie den oberbayerischen Rentämtern München und Burghausen eine Mittelbehörde im bayerischen Staatsaufbau, in der Bedeutung etwa vergleichbar mit den heutigen Regierungsbezirken.
Mit der Besetzung der Oberpfalz und der späteren Einverleibung durch Herzog bzw. Kurfürst Maximilian I. in den 1620er Jahren endete eine besonders turbulente Zeit von etwa sieben Jahrzehnten, in denen aufgrund der gänzlich unterschiedlichen konfessionellen Positionierungen wohl die größte Entfremdung zwischen Bayern und der Oberpfalz zu konstatieren ist. Denn während sich die bayerischen Herzöge bald nach Luthers öffentlichem Auftreten entschlossen, beim alten Glauben zu verbleiben und diese Linie auch äußerst konsequent beibehielten, führte der Pfälzer Kurfürst Ottheinrich – dem Grundsatz cuius regio, eius religio regio des Augsburger Religionsfriedens folgend – im Jahr 1556/57 die Reformation in seinem Fürstentum ein, so wie er es 1542 bereits in Pfalz-Neuburg getan hatte. Fortan erlebte die Oberpfalz bis zur Besetzung durch Bayern sage und schreibe fünf Konfessionswechsel. Denn dem Übertritt zum Protestantismus unter Ottheinrich folgte unter Kurfürst Friedrich III. 1563 der Konfessionswechsel zum Calvinismus, was sein Sohn und Nachfolger Ludwig VI., der bis zu seinem Regierungsantritt 1576 Statthalter in der Oberpfalz war, wieder zurückzudrehen versuchte. Nach dessen Tod 1583 herrschte in der Pfalz und damit auch in der Oberpfalz wieder die calvinische Ausrichtung vor.
Diese konfessionelle Polarisierung innerhalb der unterschiedlichen wittelsbachischen Familienzweige führte dazu, dass sich beide Linien im Vorfeld des Dreißigjährigen Krieges in jeweils führender Position in den beiden Lagern, also der protestantischen Union und der katholischen Liga, frontal gegenüberstanden. In dem sich nach dem Prager Fenstersturz entzündenden Konflikt, der zum Dreißigjährigen Krieg werden sollte, spielte die Oberpfalz eine zentrale Rolle. Von hier aus machte sich der Pfälzer Kurfürst Friedrich V. auf den Weg nach Böhmen, wo er 1619 von der protestantischen Adelsopposition zum neuen König gewählt worden war.
Und von hier aus zogen kaiserliche Truppen, die von Bayern massiv unterstützt wurden, nach Prag, um in der Schlacht am Weißen Berg vom 8. November 1620 aus dem neuen böhmischen König einen Winterkönig zu machen, also einen Herrscher, der nach nur einem Winter sein Königreich wieder verlassen musste. Nach der Besetzung der Oberpfalz 1621 kam Maximilian I. von Bayern Schritt für Schritt in den Besitz dieser Region. 1628 wurde sie ihm zusammen mit der Pfälzer Kurwürde vom Kaiser offiziell zugesprochen. Aus der Residenzstadt Amberg war die Hauptstadt eines bayerischen Rentamts geworden, dies blieb bis zum Ende des Alten Reiches so.
Text: Dr. Tobias Appl



